Microsoft kündigte schon länger an, dass OneNote für Office-365-Abonnenten exklusive Features einführen will. Für die Win-10-App ist das jetzt passiert, wenn auch nur mit einer Spielerei. Entstehen künftig OneNote-Versionen erster und zweiter Klasse?
Sagt Ihnen Free-to-play etwas? Das ist ein Geschäftsmodell für Computerspiele. Es basiert darauf, dass man das eigentliche Spiel völlig kostenlos erhält und dieses auch ohne Einschränkungen funktioniert. Allerdings gibt es die Möglichkeit, zusätzliche Boni zu kaufen. Das kann ein spezielles Outfit für die Spielfigur sein, nützliche virtuelle Ausrüstungsgegenstände oder was auch immer im jeweiligen Spiel Sinn macht. Der Hersteller verspricht, dass diese Boni den Spielspaß erhöhen können, das Spiel selbst aber auch ohne jede Zuzahlung komplett spielbar ist.
Und warum erzähle ich Ihnen das? Weil Microsoft mit OneNote auf einem ähnlichen Weg zu sein scheint. Vorerst betrifft das nur die Universal App, also das mit Windows 10 fest installierte und stark abgespeckte OneNote.
Die aktuelle Version 17.7167.57731.0 hat ein neues Feature erhalten: Beim Zeichnen und handschriftlichen Notieren stehen neben den normalen Stiftfarben auch einige psychedelisch anmutende Farbeffekte zur Verfügung. Über Sinn und Nutzen dieser Funktion mag man streiten, wenn man nicht gerade ein 11-jähriger weiblicher Teenager ist, der sein Poesiealbum mit OneNote führt – tatsächlich nennt Microsoft selbst als Zielgruppe für dieses Feature den Education-, also Schulbereich.
Viel interessanter ist folgendes: Viele Besitzer der exakt selben App-Version werden feststellen, dass die lustigen Regenbogenfarben bei ihrem OneNote im Menü fehlen. Nämlich all jene, die nicht über ein „berechtigendes“ Office-365-Abo verfügen. Gemeint sind damit all jene Abos, bei denen Lizenzen für Office 2016 enthalten sind; Besitzer eines „Office 365 Small Business“ – Plans beispielsweise bleiben also außen vor.
Wie erkennt die App Office-365-Abonnenten?
Eine naheliegende Frage; schließlich logged man sich bei Windows nicht mit den Office-365-Anmeldedaten ein sondern mit einem lokalen oder einem Microsoft-Konto. Und wenn gerade kein Office-Programm wie Word oder Excel läuft, fehlt doch jede Office-365-Identifikation? Oder wird etwa ein aktives OneDrive-for-Business-Synchronisationsprogramm abgefragt? Auch das könnte man doch einfach beenden.
Es ist viel simpler: In der OneNote-App selbst lässt sich sowohl ein kostenloses Microsoft-Konto als auch ein (oder mehrere) Office-365-Konten verbinden. Genau letzteres muss der Fall sein, damit die App den Nutzer als Abonnenten identifiziert und die Bonusfunktion freischaltet. Ganz gleich, ob Sie dieses Konnte auch mit der OneNote-App nutzen, also Notizbücher auf OneDrive for Business (SharePoint online) gespeichert haben oder nicht.
Was kommt da noch?
Jetzt ist die bunte Farbspielerei natürlich wirklich kein kriegsentscheidendes Feature. Es handelt sich also tatsächlich nur um einen netten Bonus für zahlende Abonnenten. Die Anwendung von OneNote ist auch ohne dieses Feature in keiner Weise eingeschränkt – ganz gemäß dem eingangs erklärten Free-to-play-Prinzip. Microsoft bestätigte auf Anfrage, dass von Zeit zu Zeit Office-365-exklusive Features hinzugefügt werden sollen, die bestehenden Kern-Funktionen für Nicht-Abonnenten aber nicht eingeschränkt werden.
Ein blödes Gefühl bleibt aber trotzdem. Nur mal laut gedacht: Wie auch Konkurrent Evernote hat Microsoft für die meisten OneNote-Versionen die OCR-Funktionen (auch Handschrift-Indexierung) auf die eigenen Server verlegt. Bei Evernote landen zahlende Nutzer bei einer OCR-Anforderung an den Server in der Warteliste ganz oben; die Indexierung dauert in der Regel maximal ein paar Minuten. Nutzer der kostenlosen Version müssen sich hinten anstellen und warten im ungünstigen Fall deutlich länger. Ob Microsoft an ähnliche Vergünstigungen für Office-365-Abonnenten denkt, ist unklar – aber verlockend muss diese Idee schon sein. Und das Free-to-play-Prinzip bliebe ja auch gewahrt, alle Kernfunktionen würden auch für nicht zahlende Nutzer erhalten, machen nur unterschiedlich viel „Spaß“.
Es bleibt abzuwarten, was da an neuen Office-365-exklusiven OneNote-Funktionen noch kommt. Vielleicht geht es auch künftig nur um nice-to-have-Spielereien wie die Regenbogen-Farben.
Ob diese Diversifizierung gut durchdacht ist? Wenn ich eine mit den neuen Stift-Effekten erzeugte Seite zur Desktop-Version synchronisiere, wird dort der Effekt nicht sichtbar, sondern auf eine einzige Farbe gesetzt… um ganz sicher zu sein, den Effekt nicht zu verlieren, müsste also ein (freilich nicht wie gewohnt weiter editierbarer) Screenshot erstellt und eingebunden werden… bin sehr skeptisch und hoffe, dass die verschiedenen Programm-Versionen nicht noch weiter auseinanderstreben als es momentan schon der Fall ist…
…mit dem letzten Update der Desktop-Version werden die in der W10-App erstellten Effekte nun doch auch dort korrekt *dargestellt*, auch wenn die Effekte nicht in dem Stift-Farben-Auswahlmenü angezeigt werden.