Zwei Schritte vorwärts, einer zurück. Was zunächst wie ein Bug in den aktuellen OneNote-Versionen für Mac und iOS aussah, scheint gewollt und auch auf die anderen Systeme zuzukommen: Der Zugriff auf Notizbücher, die auf Sharepoint Online oder einem Sharepoint-Server liegen, setzt ab sofort ein Office-365-Abo voraus – und zwar eines, das Lizenzen für Office 2013 enthält.
Seit dem letzten Update von OneNote für iOS und Mac häufen sich die Beschwerden in Community- und Support-Foren. Plötzlich scheiterte jede Anmeldung an Sharepoint oder Sharepoint Online und verlangte die Credentials, die zu einem Office-365-Abo gehören. Betroffen waren dabei auch solche Anwender (auch ich selbst), die ein solches Abo haben – nur offenbar das falsche. Vor dem Update war der Zugriff noch problemlos möglich und ein explizites Feature einer früheren Aktualisierung.
Zunächst gingen viele, mich selbst eingeschlossen, davon aus, dass sich da ein Bug eingeschlichen hat, der womöglich mit iOS 8.1 zu tun hat. Da aber auch OneNote für OS X betroffen ist, schien letzteres nicht sehr wahrscheinlich. Diese Einschätzung und die Hoffnung auf einen reparierenden Patch hat nun eine Antwort von Microsoft im Support-Forum für Office 365 zunichte gemacht. Danke an OneNote-Blog-Leser August für den Hinweis!
Besonders bemerkenswert: Am 5.11. ging „Dandan“ vom MSFT-Support in diesem Threat offenbar selbst noch von einem Bug aus. Denn er antwortete auf zahlreiche verwunderte User-Anfragen:
[notification type=“error“]„We understand the issue and are able to reproduce this with the latest OneNote app. We are actively working with the engineering team on the issue. If there is any update, we will post here at the soonest. We do apologize for the inconvenient.”[/notification]Sinngemäß übersetzt: „Wir verstehen das Problem und können es mit der aktuellen OneNote-App selbst reproduzieren. Wir arbeiten aktiv mit dem Entwicklerteam daran. Wenn es etwas Neues gibt, werden wir es hier mitteilen. Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten:“
Wenige Stunden später wurden die Support-Mitarbeiter offenbar von der Produktabteilung aufgeklärt. „Dandan“ überraschte mit folgendem Statement:
[notification type=“error“]“With this update for OneNote for Mac and iOS, users without Office 365 subscriptions, which include the full, installed Office applications will no longer have access to their SharePoint Server or SharePoint Online notebooks. We now correctly enforce licensing on OneNote on Apple platforms and plan to continue to update other platforms with this same enforcement. These changes have already been detailed in the product licensing terms and speak to our promise to deliver new innovation to Office 365 subscribers.”[/notification]Übersetzt etwa: „Mit diesem Update von OneNote für Mac und iOS haben Nutzer ohne Office-365-Abo, das die vollen installierbaren Office-Anwendungen enthält, keinen Zugriff mehr auf ihre auf Sharepoint-Server oder Sharepoint Online gespeicherten Notizbücher. Wir setzen damit die Lizensierung auf Apple-Plattformen durch und planen zudem Updates für andere Plattformen mit derselben Einschränkung. Diese Änderungen sind bereits in den Produkt-Lizenzbestimmungen vermerkt und folgen unserem Versprechen, Office-365-Abonnenten neue Innovationen zu liefern.“
Soweit die Sachlage, zusätzlich bestätigt auf Technet. Microsoft stellt hier die Anwender, die Sharepoint-Server oder Sharepoint Online im Rahmen eines Office-365-Abos ohne Office-Clients (also zum Beispiel die Pläne „Business Essentials“ oder „E1“) vor vollendete Tatsachen.
Ob das Unternehmen nicht langsam etwas zu weit geht in seinem vehementen Bemühen, Office 365 unter die Anwender zu bringen, ist die eine Frage und wird in der nächsten Zeit möglicherweise durch die Reaktionen der Anwender beantwortet.
Ich persönlich sehe zwei getrennte Gruppen von Betroffenen. Da sind die einen, die zwar ein Office-365-Abo haben, aber eben eines ohne enthaltenes Office 2013 – zum Beispiel, weil sie dafür schon Lizenzen als Paket gekauft hatten (oder noch Office 2010 nutzen) und nur Wert auf Exchange Online und/oder Sharepoint- Online legen. Das betrifft das „Kleinunternehmer-Abo“ mit der Bezeichnung „Business Essentials“ sowie den kleinsten Enterprise-Plan „E1“ und einige Office-365-Abos für Bildungseinrichtungen.
Diese Gruppe muss sich jetzt damit abfinden, dass sie für eine OneNote-Nutzung mit Sharepoint Online auf eine höhere Abo-Stufe upgraden muss, was derzeit Mehrkosten von 5 Euro pro Nutzer und Monat (8,80 € anstatt 3,80 €) bedeutet. Oder – so eine leicht lakonisch wirkende Empfehlung von „Dandan“ – eben die Browser-Version von OneNote nutzen.
Problematischer sehe ich die andere Gruppe: Unternehmenskunden, die OneNote im Rahmen einer bestehenden IT- und Office-Infrastruktur mit On-Premise-Sharepoint-Servern betreiben. Hier nur für die (Weiter-) Nutzung von OneNote den zusätzlichen Abschluss eines Office-365-Abbonements zu verlangen, womöglich für hunderte oder gar tausende von Mitarbeitern, halte ich für ziemlichen Unsinn. Salopp ausgedrückt sehe ich eine Menge an IT-Verantwortlichen mit sehr locker sitzenden Mittelfingern.
Vielleicht braucht Microsoft hier einiges an Gegenwind, um diese diese Politik noch einmal zu überdenken. Die Affäre Windows-8-Startmenü hat ja gezeigt, dass das Unternehmen nicht gänzlich uneinsichtig ist.
Im Moment allerdings gucken alle OneNote-Apple-Nutzer, die zu einer der beiden genannten Gruppen zählen, erst einmal in die Röhre anstatt auf ihre gesammelten OneNote-Daten in der Sharepoint-Bibliothek. Und glaubt man der Aussage vom Microsoft-Support, kommen die Nutzer weitere Systeme (ich tippe auf sämtliche kostenlosen OneNote-Ausgaben, also die für Android, Windows-8-Store-App und OneNote 2013 Free) hinzu – wenn sie denn überhaupt bislang auf Sharepoint-Notizbücher zugreifen konnten.
Welche Sofortmaßnahmen sind jetzt möglich?
Auswege aus der OneNote-Sharepoint-Krise
Zunächst einmal wäre da, dem Vorschlag von „Dandan“ zu folgen: Einen Webbrowser und OneNote Online nutzen. Das ist weder schön noch komfortabel, aber immerhin beruhigend. Die Notizen sind noch da und man kommt auf alle Fälle dran.
Für Mitarbeiter in Unternehmen mit restriktiven Sicherheitsrichtlinien dürfte das auch schon die einzige Lösung sein (ich lasse „Dandan“s weiteren Vorschlag in der o.g. Antwort: „Sprecht mit der IT-Abteilung und verlangt ein Office-365-Abo“ mal unkommentiert weg).
Für alle anderen (so auch mich persönlich, Nutzer eines „Business Essentials“-Abos) bleibt noch eine Alternative:
Umkopieren aller Notizbücher von Sharepoint / OneDrive for Business auf das kostenlose Onedrive. Darauf kann die iOS-App und OneDrive für den Mac nämlich weiterhin uneingeschränkt zugreifen. Für den Umzug braucht’s allerdings eine OneNote-Ausgabe, die auf beides zugreifen kann: OneNote 2013 für Windows, und zwar nur in der MS-Office-Version. Hier legen Sie für jedes Notizbuch auf Sharepoint ein neues, leeres auf OneDrive an. Öffnen Sie beide Versionen in OneNote 2013 und ziehen Sie Abschnitt für Abschnitt per Drag & Drop in der ausgeklappten Notizbuchnavigation vom Sharepoint- ins OneDrive-Notizbuch.
Eine Freigabe der auf Sharepoint Online liegenden Notizbücher für Ihren OneDrive-Account funktioniert zwar auch, erlaubt aber ebenfalls nur das Bearbeiten in OneNote Online, hilft also nicht weiter.
Wichtig: Einfach die OneNote-„Dateien“ von OneDrive for Business auf OneDrive umzukopieren, scheint zwar praktischer, klappt aber nicht. Es handelt sich nämlich dabei gar nicht um Dateien, sondern lediglich um Links auf die zugehörigen Datenbanken – anders als bei lokal gespeicherten Notizbüchern.
Paradoxon: Office für das iPad ab sofort auch ohne Office-365-Abo
Das will nun so gar nicht zu der OneNote-/Sharepoint-Krise passen: Microsoft meldete heute, dass ab sofort die Office-Apps (Word, Excel) für das iPad kein Office-365-Abo mehr benötigen. Bisher konnte man die Apps zwar auch ohne Abo nutzen, aber nur als Viewer; Dokumente oder Tabellen ließen sich nicht auf dem iPad bearbeiten. Android soll bald folgen, wobei sich Nutzer jetzt schon für eine Preview-Version anmelden können.
Microsoft’s Werbeslogan lautete lange Zeit: „Where do you want to go today?“. Ich bin mir überhaupt nicht sicher, ob die Verantwortlichen des Redmonder Unternehmens diese Frage im Moment selbst beantworten könnten.
Oh mann, da kann man ja nur noch mit dem Kopf schütteln. Microsofts „Cloud FIRST“ Strategie soll mit ganzer Macht in den Markt gedrückt werden.
Naja, in keiner Lizenz wird erwähnt, dass der Kauf eines SharePoint Servers die uneingeschränkte Nutzung von Office erlaubt, von daher war das lizenzrechtlich sowieso von Grund auf falsch, das zu meinen. Das eine ist ein WebServer, das andere Office. Nur weil sich eine Firma SharePoint kauft, kann Sie ja nicht davon ausgehen, alle Office Anwendungen in Zukunft kostenlos verwenden zu können, was ja damit quasi möglich wäre, sprich, kaufe SharePoint und gib allen iPads und Du mußt kein Office mehr lizenzieren für die Firma…da verlangt Ihr wohl zuviel 😉
Das ist völlig richtig. Anzunehmen, dass eine Lizenz für den Sharepoint-Server auch Office-Lizenzen enthält, wäre Unsinn.
Die Schieflage ist hier meiner Meinung nach aber woanders. Nutzern (z.B. Unternehmen), die einen Sharepoint-Server und (lokale) Office-Lizenzen besitzen, den Zugriff auf OneNote/Sharepoint zu verwehren, wenn sie nicht zusätzlich (und ansonsten völlig sinnlos, Office, Sharepoint und ev. Exchange sind ja schon vorhanden) ein Office 365-Abo abschließen — für jeden Nutzer — ist ebenfalls Unsinn.
Und Apple-Anwendern (iOS/OS X) nachträglich den zuvor vorhandenen Zugang zu Notizen auf Sharepoint wieder zu sperren, noch dazu gänzlich ohne Vorwarnung, ist zumindest ziemlich schlechter Stil.
Es fehlt bei Microsoft vor allem an Kommunikation und Transparenz, wenn nicht sogar gänzlich an einem Konzept, wie man seinen Anwendern Clouddienste nahebringt. Zwang und „Friss oder stirb“ werden naturgemäß nicht gut aufgenommen.
OneNote ist hier definitiv ein Problemkind: Einst eigenständiges und kostenpflchtiges Produkt, das so gar nichts mit Office zu tun hatte, dann mangels Erfolg der frühen Win-XP-Tablet-Ediion halt in Office integriert und ein bisschen Outlook-Funktionen angeflanscht und jetzt als Zugpferd in Richtung Clouddienste genutzt (missbraucht?). Das geht einerseits nur mit kostenlosen (OneNote) Clients — Evernote ist noch zu stark. Andererseits ist so rein und selbstlos kostenlos auch nicht gerade Microsoft’s Ding. Das geht in Ordnung, es handelt sich schließlich um ein gewinnorientiertes Unternehmen. Aber irgendeine Linie, die mittelfristig die Anwender nicht vergrätzt, sollte da langsam mal kommen.
Hallo Herr Wischner,
sehe ich auch so. Funktionen wieder wegnehmen ist schlechter Stil!
Sinngemäss habe ich sowas gerade ins MS-Forum geschrieben:
Ich verstehe, das MS nicht möchte, das ich zum Preis einer Office-Lizenz ein iPad kaufe um damit meine Firmendokumente zu bearbeiten (auf die Idee könnte durchaus jemand gekommen sein).
Aber Office365-Abo für die Sharepoint- Nutzung zu erzwingen fühlt sich an wie eine Monatskarte für den Bus zu brauchen, damit ich meinen Firmenwagen benutzen darf. Ich würde dann lieber für die OneNote-App bezahlen… oder einfach den Key meiner VL eingeben….
Ich kann mich Ihrem Kommentar nur anschliessen. Unser Unternehmen verfügt über alle genannten Lizenzen, ein Office365-Abo besteht aber nicht (da hier ein anderes Lizenzmodell greift). Die Verwendung meines neuen iPads im dienstlichen Kontext wird durch den Wegfall des SharePoint-Zugriffs erheblich eingeschränkt. Und das aus meiner Sicht aufgrund eines völlig unnötigen Updates dessen Nutzen ich einfach nicht erkennen kann. Technisch hat es doch wohl alles funktioniert!
Es ist mehr als nervig – nein wirklich ärgerlich – und führt letztlich dazu das man nach anderen Lösungen ausschau halten muss.
Ihr Vergleich mit dem Bus und dem Dienstwagen trifft es sehr plakativ.
Danke für dieses ausführliche Post. Wir sind genau von dem Problem betroffen, dass wir Dokumente auf Sharepoint ablegen wollen, nicht in der Cloud und nicht auf OneDrive, und dies nun mit OneNote offensichtlich nicht mehr tun können. Eine Idiotie, die MS sich hier leistet.