OneNote unter Linux?

Die Linux-Gemeinde ruft schon lange nach einer Portierung von OneNote. Microsoft schwieg sich dazu nur aus. Jetzt hat sich ein OneNote-Entwickler etwas konkreter dazu geäußert.

Liest man einschlägige Foren, scheint unter Linux-Anhängern der Wunsch mach Portierungen von Microsoft-Anwendungen auf das freie Betriebssystem gering bis nicht vorhanden zu sein. Lieber zeigt man auf Libre Office und Thunderbird und betont, dass das digitale Leben auch ohne MS Office bestens funktioniert.

Nur bei OneNote (und beim „Konkurrenten“ Evernote) liegt der Fall anders. Das Programm ist einfach zu gut und im Gegensatz zu Word oder Excel gibt es hierzu eben keine Open- Source-Entsprechung. Der Ruf nach einer OneNote-Umsetzung für Linux ist laut, doch Microsoft schweigt sich dazu aus.

Jetzt hat Nick Andre, seines Zeichens OneNote-Mitentwickler in Redmond und für seine (für Microsoft-Verhältnisse) ausgesprochene Auskunftsfreudigkeit und Offenheit bekannt, ein paar Sätze zum Thema OneNote und Linux gesagt. Ich fasse im folgenden seine Ausführungen mit meinen eigenen Worten zusammen. Wer den Originaltext lesen möchte, findet ihn hier auf Reddit.

Laut Nick verwendet OneNote völlig unterschiedlichen (ausführbaren) Code auf den verschiedenen Plattformen. Eine native Linux-Version würde also einen erheblichen Aufwand erfordern. Außerdem nutzt OneNote einiges an mit anderen Office-Modulen geteiltem Code. Nichts davon ist aber je auf Linux portiert worden. Eine native, „echte“ Linux-Version ist also ziemlich ausgeschlossen.

Einzige Option: Wine

Was Nick für denkbar hält, ist den Wine-Support (Anm. d. Autors: Eine Art Bibliothek mit Windows-Libraries, mit deren Hilfe einige Windows-Programme ganz ordentlich unter Linux laufen) zu verbessern, so dass Office dort besser läuft. Eines der Hauptprobleme von Win32-Programmen (Anm. d. Autors: die bisherige Architektur von Windows-Programmen im Gegensatz zu den neuen Windows-10-UWP-Apps) sei aber: Es gibt Bugs (in Windows) und viele Programme bauen auf diesen auf. Die Macher von Wine müssten ihrerseits also viel Aufwand darauf verwenden, es „Bug-kompatibel“ zu machen, also praktisch alle vorhandenen Windows-Bugs nachzubauen oder zu smulieren.

Es gibt noch weitere Hürden: Der neue Verteilmechanismus von Office namens „Click-to-Run“ ist sehr ausgefeilt und beseitige den früheren Alptraum von MSI-Installationen (denn dort können Anwender im Prinzip eine beliebige Kombination von Einzelpatches installiert haben, was das Supporten extrem aufwändig macht). Der „Voodoo-Magie-Level“ der Click-to-Run-Technik sei aber sehr hoch und Nick bezweifelt, dass Wine damit zurechtkommt. Nach Anwenderberichten scheint es tatsächlich unmöglich, ein Click-to-Run-Office 365 unter Wine zu aktivieren.

Noch schlimmer steht es um die UWP-(Windows 10) App von OneNote. Sie ist keine Win32-Anwendung, sondern setzt auf das appx-Format, das es unter Wine überhaupt nicht gibt.

Für Linux-Nutzer gibt es – außer OneNote Online im Web-Browser – nach Nicks Ansicht nur eine Option: Die Kombination aus Wine und einer „konservativen“ MSI-Install-Version (also z.B von einer MS Office Setup-DVD) von Office 2013. Letzteres bekommt immer noch Sicherheitspatches und die letzte MSI-Version sei – wenn vollständig aktualisiert – von den ersten Click-to-Run-Versionen technisch gar nicht so weit entfernt. Nach seinem Wissen soll das unter Wine ganz gut klappen, wenn er sich auch nicht sicher sei, ob wirklich alles funktioniert (er denkt da zum Beispiel an Handschrift-Erkennung und Suchdienste). Es gebe zudem auch Drittanbieter-Lösungen, die die Kompatibilität von Wine erhöhen sollen (Anm. des Autors: Er bezieht sich vermutlich auf so etwas wie das kostenpflichtige Crossover von Codeweaver).

Im Übrigen fände er es cool, einen OneNote Clone in Libre Office zu sehen (Anm. des Autors: Sein Smiley am Ende dieses Schlusssatzes wirkt ein wenig wie „na, dann macht doch, wenn Ihr könnt!“).

Alles in allem also nichts Überraschendes, aber zumindest eine „halbofizielle“ Absage an ein Linux-OneNote. Immerhin gab es von einem OneNote-Entwickler hier ein bisschen Hintergrund (auch wenn er Firmen- und Produktpolitisches hier natürlich unterschlagen hat) und sogar ein klein wenig Verständnis und Empathie.

Meine 5 cent

Ich möchte hier noch einen persönlichen Kommentar anbringen: Als Microsoft-Angestellter wird sich Nick Andre natürlich hüten, über Geschäftsinteressen oder Firmenpolitik zu reden, darf er gar nicht. Aber während der Fragesteller im besagten Reddit-Forenbeitrag OneNote unter Linux als „absolute Notwendigkeit“ bezeichnet, muss die Frage erlaubt sein, wieso es denn aus Microsofts Sicht eine Notwendigkeit sein soll? OneNote ist schon lange kein separat kaufbares Produkt mehr. Microsoft verlegt sein Geschäft von Software in Paketen zu Services, wie etwa den Office-365-Abos. Microsofts Interesse ist naturgemäß, Abo- und Service-Kunden zu generieren; OneNote wird längst als Bestandteil dieser Services vermarktet und weiterentwickelt (drum auch die Beschränkung auf Microsoft-Cloudspeicher oder das Bereitstellen neuer Features nur für Office-Abonnenten). Solange also kein komplettes Office 365 mit allem Pipapo, und damit auch Office 2016 komplett für Linux portiert wird, macht OneNote alleine aus Microsofts Sicht nur wenig Sinn. Und gegen eine komplette Office-Portierung dürfte es Gründe geben, sonst hätte Microsoft das früher schon getan, als es noch „einfacher“ war (eben ohne die Service-Anbindungen und UWP-Apps). Ob das nun die verhältnismäßige geringe Verbreitung von Linux als Desktop-Betriebssystem ist, die unter Linux-Fans recht verbreitete Anti-Microsoft-Stimmungsmache, oder auch rein technische Gründe, weiß ich nicht. Nur, dass es mit OneNote und Linux wohl sicher nichts wird. Aber was ist schon sicher?

 

 

 

11 Kommentare

  1. Hansjuerg Wuethrich

    Wenn ich Linux nutzen würde, würde ich wohl einfach Google Keep verwenden. Genau genommen bin ich sogar auf Google Keep zurück gewechselt (Habe meinen PCverkauft und nutze ausschliesslich mein Samsung Note 8 und die DEX Station die aus dem Note 8 einen Desktop Ersatz macht, aber das nur mal so nebenbei) Der Grund warum ich von OneNote weg bin, ist weil ich dieses Mal so mal so und die Feature Lotterie wie Sie bereits hier im Blog so gut beschrieben haben nicht mehr haben kann. Das geht mir persönlich soooo auf den, na Sie wissen schon. Jede OneNote Version fühlt sich wie ein eigenes unabhängiges Programm an. Die eine Version macht dies, die andere das, es ist zum ausrasten. So kann man unter Android zB nicht EInträge die automatisch zu unterst erscheinen automatisch zu oberst erscheinen lassen, obschon es unter WIndows ja so eingestellt war. aber auch da, das geht nur in der OneNote 2016 Version wo dann magisch die OneNote UWP Version diese Einstellung übernimmt, aber nicht an Android weiter gibt. Es sind einfach diese vielen vielen Dinge die für mich OneNote unbenutzbar machten. Mal so mal so nervt einfach nur und eben Heute ein feature erhalten, in den Workflow einbinden und für cool befinden und dann 3 Tage später ist es wieder weg ! Das war nichts für mich !

  2. Kann man nicht mit der UWP App was sinnvolles für .NET Core rausbringen? Das gibts doch für Linux. Würde doch Sinn machen, dass man UWP mit Xamarin nicht nur für Windows 10, iOS und Android, sondern auch für Linux entwickeln kann.

    Auch komisch, dass UWP mit Xamarin nicht für Android und iOS benutzt wird, so wie Microsoft es selbst ja bewirbt…

  3. Carsten Bollenbach

    Auch wenn der letzte Kommentar ein wenig her ist. Das eigentliche Problem liegt tatsächlich in dem Verhalten der Anwender (einschließlich mir selbst).

    Die Kernvorteile von OneNote liegen auf der Hand, ich will sie nur noch einmal anführen und aufzeigen, warum es nicht nur an der Technik liegen dürfte.

    WYSIWYG Notizblätter
    Auch wenn es für OneNote Anwender so selbstverständlich ist, das man kaum darüber nachdenkt: dieses einfache gestalten von Notizen (Tabellen, Dateieneinbindung als Kopie in das Notizblatt, Referenzierung, freies Platzieren von Containern usw.) ist unter Linux bestenfalls nur mit verhältnismäßig komplizierten Workarounds zu erreichen. Und das hemmt den Arbeitsfluss. Tatsache ist, das es einige Produkte gibt, die das im Ansatz abbilden. Leider nicht konsequent genug, als das es eine echte Alternative wäre.
    Baumstrukturen / Darstellung
    Während OneNote es wirklich geschafft hat, analoge Mittel wie Notizbuch, Ordner und Hängeregister optisch darzustellen und damit an das „Analoghirn“ von uns Menschen anzudocken, sind Produkte unter Linux eher wie Wikis aufgebaut und muten damit auch ein wenig altbacken an. In etwa so wie Produkte unter Win95 oder Älter. Ging damals auch irgendwie, ist heute nur intuitiver.
    Interoperabilität
    Es liegt in der Natur einer homogenen Systemumgebung, das Programmierer auf die Schnittstellen und APIs des Betriebssystems und deren Kernapplikationen zugreifen und so einen dynamischen Datenaustausch (aka DDE) ermöglichen. Lösungen unter Linux haben es da schon schwerer. Das beginnt schon dabei, das es eine Vielzahl von Desktopumgebungen mit eigenen Bibliotheken und Schnittstellen gibt. Sicher, ich kann auch KDE Applikationen unter GNOME oder LXQT laufen lassen. Aber eine DDE „aus einem Guss“ würde selbst heute nur dann gelingen, wenn man sich nur in einer Desktopwelt aufhalten würde. Damit wird eine eigentlich fantastische Stärke von Linux auf dem Desktop sofort zur einer großen Schwäche – jedenfalls bei OneNote. Beispiel:

    Wie wunderbar ist es, aus Outlook einfach ein Objekt in OneNote zu archivieren oder als Aufgabe zu planen etc.? Einmal kurz die entsprechenden Schnittstellen eingerichtet, und ab dafür.

    Unter Linux gibt es das einfach nicht. Es ist nicht Möglich zum Beispiel aus Thunderbird (was es ja auch unter Windows gibt) direkt ein Objekt per Drag and Drop oder per Button in eine andere Anwendung zu befördern. Jedenfalls nicht, das ich wüsste und ganz sicher nicht „out of the Box“. Und das liegt in erster Linie an der

    Aktivität und Mentalität
    OneNote wird konsequent und permanent weiterentwickelt, weil es ein Teil des Microsoftportfolios ist. Selbst das „Kostenlose“ ist kein Problem, denn Kohle kommt ja auch auf alternativen Wegen in den Konzern, der damit (neben anderen) die Weiterentwicklung sicherstellt. Die einerseits großartige Idee, das OpenSource es jedem ermöglicht kostenlos für Linux (bzw. einer entsprechenden Desktopumgebung) zu entwickeln, zerläuft sich sogleich zu einem komplexen Nachteil:

    a. Es ist nicht Selten, das vielversprechende Ansätze früher oder später einfach eingestellt werden bzw. sich Totlaufen. Das liegt daran, das sich die Community (zumindest gefühlt) in überwiegend privat engagierten Teams, bestenfalleim semi-professionellen Umfeld wieder finden. Und da der überwältigende Anteil der vorhanden Software open-source ist, wird man sich in vielen Bereichen kaum einig. Das geht sogar hin bis zur Kernel Entwicklung.

    b. Wir – die User – wollen professionelle Funktionen, sind aber nicht bereit auch nur einen Cent dafür zu bezahlen. Auch nicht auf alternativen Wegen. Und bevor jetzt der Windowsuser süffisant grinst: ihr kopiert den Kram doch auch, ohne zu zahlen, wenn wir mal ehrlich sind. Der einzige Unterschied: ein Linuxanwender macht sich nicht strafbar dabei. Andererseits: so kann nur schwer eine „gewachsene Produktlinie“ entstehen.

    Böse formuliert könnte man sagen das Linux (auch wenn das kaum einer hören mag) im Wesentlichen aus „professionellen Hobbyisten“ besteht, die sich gegenseitig kaum Anreize liefern um etwas vergleichbares wie OneNote zu ermöglichen.

    Finde ich das bedauerlich? Ja absolut! Ich bin kein Windowsfan, weil mir das OS zu aufgeblasen ist resourcehungrig ist. Ein Rechner, der 3 Jahre oder etwas älter ist, ist kaum noch vernünftig mit Windows zu nutzen (aus meiner Erfahrung heraus). Bei Linux ist das anders: mein Hardwarefuhrpark ist im Schnitt 8 Jahre alt und läuft – technsich betrachtet – Super! Das reduziert Kosten, bringt mich aus der Illegalität und anders. Wenn, ja wenn es nicht so ein tolles Programm wie OneNote gäbe … insofern finde ich Nick Andre’s Kommentar, das er es (ZITAT ARTIKEL OBEN) „im Übrigen (cool) fände, einen OneNote Clone in Libre Office zu sehen (Anm. des Autors: Sein Smiley am Ende dieses Schlusssatzes wirkt ein wenig wie „na, dann macht doch, wenn Ihr könnt!“).“ Der Smiley wirkt nicht nur so, er ist. Und leider wird voraussichtlich das an den oben genannten Umständen scheitern.

    PS: Google Keep kann nicht mithalten, weil Keep der Punkt 1, Punkt 2 (trotz tagging) und Punkt 3 fehlt. Leider.

  4. habe gefallen gefunden an p3x-onenote
    Link https://github.com/patrikx3/onenote

  5. Michael Wettach

    Es gibt doch eine Office Version für Mac – und das Mac Betriebssystem hat unten drunter Linux. Ist das dann wirklich noch so schwer?

    • Ähm, macOS hat ein Unix-artiges System drunter, aber sicherlich kein Linux. Außerdem ist es einfach Programme zu portieren, die keine GUI haben. Die GUI bei macOS unterscheidet sich von den verfügbaren GUIs bei Linux erheblich.

    • Hansjuerg Wuethrich

      In Zeiten von Progressiven Web Apps ist das unterdessen sowieso egal geworden. Wer OneNote auch unter Linux nutzen muss, kann es in Form von Office „Online“ nutzen. PWA sind die Zukunft. System unabhängig. Die Zeiten haben sich geändert. Ist nur noch nicht bei jedem angekommen.

      • Office online ist mehrfach schwierig.

        Viel geringere Feature-Umfang. Für mich etwa ist OneNote vor allem wegen des Formel-Editors interessant, der in aktuellen Office-Versionen zu einer der besten Lösungen gehört. Im WebInterface nicht vorhanden, womit der einzige für mich relevante Vorteil gegenüber Evernote entfällt.

        Das mag sich in Zukunft ändern und für viele Nutzer nicht relevant sein. Aber es reicht mitunter ein einzelnes fehlendes Feature, um den Use-Case zu untergraben.

        Im Unternehmensumfeld ist die Verwendung der Online-Variante fraglich. Man hat als Angestellter schließlich Geheimhaltungspflicht.

  6. Es gibt immerhin ne Möglichkeit, die Office 365 WebApps unter Linux einzubinden, sodass Nutzer*innen diese nativ ohne Probleme nutzen können.

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