Seit heute gibt es wieder ein Update für die Windows-10-Version (UWP) von OneNote. Wie üblich mit einigen neuen Funktionen und wie fast schon üblich mit der obligatorischen Kritik vom Wischner.
Das Mai-Update für die OneNote-App ist ab sofort für alle Windows-10-Nutzer verfügbar; Teilnehmer am Insider-Programm haben sie schon etwas länger. Die neue Versionsnummer ist 17.8241.57591.0. Wieder hat das OneNote-Team etliche neue Funktionen eingebaut, die die App ein Stückchen näher an das Office-OneNote 2016 heranbringen sollen. Und wieder habe ich was zu meckern. Sorry, liebes OneNote-Team. Aber ich finde, man sollte eine Funktion schon zu Ende entwickeln oder zumindest darüber nachdenken, was sich Anwender davon erwarten oder wie sie sie einsetzen. In OneNote (auch im Desktop-OneNote) stecken schon zu viele Halbherzigkeiten.
Worum geht’s? Das meiner Ansicht nach spannendste neue Feature (eine Aufzählung der weiteren folgt etwas später in diesem Beitrag) ist die Möglichkeit, mehrere Instanzen der App parallel zu öffnen. So lässt sich zum Beispiel der Inhalt einer Seite anzeigen, während man an einer anderen, vielleicht sogar in einem anderen Notizbuch, arbeitet. Nutzer von OneNote 2010/2013/2016 kennen diese Funktion längst. Hier ruft man sie z.B. mit [Strg]+[M] auf.
Ein Tastenkürzel gibt es für diese Option in der Windows-10-App noch nicht (Korrektur: Gibt es doch, und zwar ebenfalls [Strg]+[M], aber scheinbar etwas buggy beim wiederholten Betätigen), man erreicht die Funktion aber über das Menü Ansicht und den Befehl Neues Fenster. Wichtig: Damit der Menübefehl verfügbar wird, müssen in den Optionen die Experimentellen Funktionen und damit auch die neue Oberfläche (Abschnitte als Liste links) aktiviert sein.
Das klappt dann auch ganz wunderbar. Mit jedem Aufruf des Befehls öffnet sich ein neues App-Fenster, das sich nach Belieben skalieren, verschieben oder auch mit den bekannten Windows-10-Funktionen an einen Bildschirmrand oder eine Ecke ankleben lässt. Alles prima, bis….ja bis man das machen möchte, was unter Windows eigentlich das Normalste der Welt sein sollte – vor allem bei mehreren Fenstern derselben Anwendung:
Inhalte aus einem Fenster in ein anderes per Drag & Drop kopieren oder verschieben.
Pustekuchen! Geht nicht! Nicht einmal mit Notizinhalten wie markierten Texten oder einem Bild und schon gar nicht mit Seiten oder Abschnitten aus den Navigationslisten. Objekte auf der Seite werden einfach immer weiter an den Rand geschoben und die Notizseite entsprechend erweitert. Versuchen Sie, ein Objekt nach links aus der Notiz zu ziehen, entsteht dort neue Fläche, was sogar den Seitentitel nach rechts verschiebt. Um das Layout wieder hinzubekommen, hilft nur der Rückgängig-Befehl. Das einzige, was funktioniert, ist das Kopieren oder Ausschneiden in die Zwischenablage und manuelles Einfügen in einem anderen Fenster.
Ich vermute zwar stark, dass der Grund nicht unbedingt bei den OneNote-Entwicklern liegen dürfte. Ohne selbst mit dem Programmieren von UWP-Apps vertraut zu sein, nehme ich an, dass sie generell Drag & Drop von einem Fenster in ein anderes nicht unterstützen. Schließlich waren es ursprünglich überhaupt keine Fenster, sondern Vollbild-Anwendungen, bis Microsoft sie unter dem Druck vieler unzufriedener Nutzer mit Windows 8.1 in Fensterrahmen gezwängt hat.
Aber auch wenn es bockig klingt: Mich als Anwender interessiert es herzlich wenig, ob da jetzt die OneNote-Programmierer oder die Entwickler von Windows verantwortlich sind. Tatsache ist, dass eine Windows-Funktion, die seit über 20 Jahren Standard ist, mit bestimmten (auch noch von Microsoft selbst stammenden) Anwendungen nicht erwartungsgemäß arbeitet. Stichwort „User experience“! Microsoft strengt sich sehr an, OneNote-Nutzer von der alten Win32-Desktop-Version zur UWP-App zu bringen – so wird das aber eher nix.
Ich bin mal gespannt, wie das aussieht, wenn diese Funktion OneNote für MacOS erreicht (wenn überhaupt). Mac-Nutzer sind bekanntermaßen noch etwas verwöhnter, wenn es um stringente und eingängige Bedienung der Software geht.
Nachdem ich mich jetzt hier etwas ausgegrantelt habe – ich neige dazu, wenn eine tolle Funktion angekündigt ist, auf die ich mich seit Monaten freue, und dann ist sie wieder mal maximal halbfertig – will ich noch die wichtigsten sonstigen Neuerungen des Mai-Updates aufzählen:
An OneNote drucken
Möglicherweise ist dieses Feature vielen Anwendern noch wichtiger als die Multi-Window-Unterstützung. Allerdings braucht es eine zusätzliche App aus dem Microsoft-Store. Ich werde sie separat testen und in Kürze einen eigenen Beitrag dazu hier auf dem Blog veröffentlichen. Soviel kann ich jetzt schon sagen: Als Ziel dient weder OneNote 2016 direkt mit seinen gerade geöffneten Notizbüchern (wie die „alte“ OneNote-Druckfunktion), noch die Web-API mit den Notizbüchern auf OneDrive wie Web-Clipper & Co. sie nutzen. Dann nämlich bräuchte es zum Drucken an OneNote eine Internet-Verbindung. Die neue Druckfunktion sendet vielmehr direkt an die OneNote-Windows-10-App und bietet nur Zielnotizbücher zur Auswahl an, die zuletzt in dieser App geöffnet waren bzw. es gerade sind.
Sprache für Textabschnitte festlegen
Das hat wirklich gefehlt: Ab sofort lässt sich für markierte Absätze einzeln bestimmen, auf was für ein Sprachwörterbuch die Rechtschreibprüfung zurückgreifen soll. Dazu klickt man mit der rechten Maustaste auf den Textabschnitt, wählt den Menüpunkt Sprache festlegen und dann die entsprechende Sprache aus der Liste.
Seiten komfortabler löschen, verschieben und kopieren
Ganz Windows-konform lassen sich mehrere Seiten in der Liste durch Drücken und Halten der [Strg]– oder [Umschalt]-Taste markieren und dann zusammen kopieren, an eine andere Stelle verschieben (auch per Drag & Drop, aber natürlich nur innerhalb des aktuellen App-Fensters! Ich hör ja schon auf) oder löschen. Das klappt allerdings nicht mit der Liste „Aktuelle Notizen“, die ja Notizbuch-übergreifend ist. Das Verschieben und Kopieren geht jetzt auch über die Zwischenablage. Die entsprechenden Befehle finden sich im Kontextmenü nach einem Rechtklick auf einen Seiteneintrag.
Seitenversionen
Wie in der Desktop-Version soll es jetzt ganz einfach sein, Änderungen rückgängig zu machen, indem man zu einer vorherigen Seitenversion zurückkehrt. Warum „soll“? Weil es schon im Desktop-OneNote nie klar war, bei welchen Änderungen eine Seitenversion gespeichert wird. Jedes kleine Zupfen an einem Objektrahmen kann schwerlich für ein Neuspeichern sorgen. Das wäre der Performance des Programms sicher nicht zuträglich. Aber wann tatsächlich eine Änderung groß genug ist, um ein Seitenbackup abzulegen, hat sich mir nie erschlossen. Da wird’s auch erst mal Tests und Beobachtungen brauchen.
Versöhnliches
Alles in allem dennoch ein schönes Update. An die in Aussicht gestellte (zumindest weitgehende) Feature-Gleichheit mit dem Desktop-OneNote glaube ich jedoch nach wie vor nicht. Dagegen sprechen produktpolitische und auch technische Gründe. Letzteres zeigt sich ja gerade wieder deutlich an der Drag & Drop-Misere oder der notwendigen Zusatz-App für das Drucken an OneNote. Aber ich muss auch mal eine Lanze für die OneNote-Entwickler brechen. Ich denke, sie stehen hier vor einer in mehrerlei Hinsicht kaum lösbaren Aufgabe. So sollen sie ganz offensichtlich eine Software entwickeln, die den Anwendern die Nutzung von OneDrive schmackhaft macht, um der „Cloud First Mobile First“ – Direktive ihres obersten Chefs zu folgen. Dann sollen Sie das mit der Neuauflage einer etablierten Software tun, die so flexibel ist, dass praktisch jeder sie anders einsetzt und andere Funktionen nutzt. Und das Ganze dann auch noch basierend auf einem Code, den Chris Pratley und seine Kollegen vor 17 Jahren „zusammengefummelt“ und nie ausgereift haben. Der vermutlich nicht optimal dokumentiert ist und zum Teil aus nachträglich angeklebten Modulen und DLLs besteht, um OneNote (vor 10 Jahren) nach einem Teil von MS Office aussehen zu lassen. Dafür machen Sie einen guten Job, finde ich. Dieses Lob schließt das OneNote-for-Android-Team übrigens ausdrücklich nicht ein.
nun ja – schauen wir mal, was Projekt Centennial bringt – wenn es wahr ist, dass alle Programme einfach in Apps verwandelt werden können, dann erübrigt sich die Diskussion vielleicht (Und aktuell gibts die 2016er Office Versionen schon im Windows Store – allerdings noch unveröffentlicht – lange kann es also nicht mehr dauern).